Literaturstipendium
Arna Aley ist die erste Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz.

Foto: Ralph Kunz
Was haben die Menschen in Chemnitz zu erzählen? Wie haben sie die Entwicklungen in der Vergangenheit empfunden, was wünschen sie sich für die Kulturhauptstadt? Arna Aley will zuhören und aus all den realen Geschichten schließlich Kunst kreieren. Dafür wird sie auf der Straße oder bei Veranstaltungen die Chemnitzerinnen und Chemnitzer auch direkt ansprechen, und möchte mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten.
"Chemnitz erinnert mich an meine Heimatstadt", sagt Arna Aley. "Sie hat ähnliche Brüche erlebt, ist wie Chemnitz eine Stadt im Wandel. Die Industrie veränderte sich und damit auch die Menschen. Leute zogen weg. Es ist wirklich sehr spannend, nun hier zu sein." Arna Aley wurde 1977 im litauischen Panevėžys geboren und studierte in ihrem Heimatland zunächst Violoncello. Seit 1998 lebt sie in Berlin und entdeckte zufällig beim Blick in das Vorlesungsverzeichnis der Akademie der Künste den Studiengang »Szenisches Schreiben«. Ein Glücksgriff, denn obwohl sie damals erst noch Deutsch lernen musste, erhielt sie von 220 Bewerberinnen und Bewerbern einen der begehrten sieben Plätze.
Nun ist sie die erste Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz. "Ich war vor 15 Jahren schon einmal hier, für einen Workshop mit benachteiligten Kindern aus Frankreich, Litauen und Deutschland. Seither habe ich eine Affinität für Chemnitz." Die Bewerbung um den Titel als Europäische Kulturhauptstadt hat sie genau verfolgt. "Ich habe mich sehr gefreut für Chemnitz. Ich kenne Kaunas, eine aktuelle Kulturhauptstadt. Dieser Titel zieht Menschen von außen an und gibt den Menschen vor Ort die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Eine großartige Chance für Chemnitz." Arna Aley kann sich vorstellen, den Prozess bis 2025 auch nach ihrem Aufenthalt zu begleiten. "Man spürt eine unglaubliche Energie in der Stadt." Das Motto C the Unseen entspreche ganz ihrer Arbeitsweise. "Auch ich möchte das Unentdeckte hervorholen und einen neuen Blick auf das Gewohnte wagen." Dazu wird sie durch die Stadt streifen, Menschen begegnen.
Eine von vielen Ideen ist es, einen Blog mit verschiedenen Rubriken zu starten. Eine davon könnte den Titel "Menschen am Sonntag" tragen und lässt jede Woche andere Leute zu Wort kommen, die zum Beispiel ihre Lieblingsplätze vorstellen. Dank ihrer guten Kontakte in die nationale und internationale Kulturszene plant Arna Aley zudem, befreundete Fotografen nach Chemnitz einzuladen. "Ich werde mich nicht in meiner Wohnung einschließen und sechs Monate an einem Roman schreiben, den ich dann am Ende einfach nur bei einer Lesung vortrage."
Das Literaturstipendium umfasst neben einer monatlichen Vergütung auch eine möblierte Wohnung, in der sie bis März 2023 leben wird. "So ein Stipendium aufzulegen in einer Zeit, in der in der Kultur überall gespart wird, ist bemerkenswert. Das ist eine besondere Botschaft der Stadt Chemnitz." Mit drei Koffern ist Arna Aley aus Berlin angereist, einige persönliche Gegenstände wird sie noch holen. Sie will keine Touristin sein, und doch wird ihr Blick von außen kommen. "Genau deshalb möchte ich mit den Menschen ins Gespräch kommen."
Ihrem Hauptprojekt für ihren Aufenthalt hat sie den Titel »Lauschangriffe. Mobile Soundstorys" gegeben. "Damit möchte ich die Stadtgesellschaft von Chemnitz animieren, ihre eigenen – realen oder erfundenen – Storys zu erzählen, die einen Bezug zu einem "Objekt«"haben, sei es ein Gegenstand oder ein Gebäude oder ein Ort in Chemnitz. Wobei das Erzählen unterschiedliche Formen annehmen kann: singen, tanzen, schreiben, gestalten, schweigen, fotografieren oder komponieren", sagt Arna Aley, die dafür Schreibworkshops zum Beispiel für Kinder, Senioren und Geflüchtete anbieten möchte. Daraus soll sich der "Sound der Stadt" entwickeln, erläutert Arna Aley: "Das Wertvolle daran ist, dass es einen authentischen Klang ermöglicht, unabhängig von meinem persönlichen Geschmack."
Ihre ersten Eindrücke von Chemnitz sind durchweg positiv. "Die Stadt ist kulturell sehr aktiv. Und es gibt nicht den typischen Chemnitzer oder die typische Chemnitzerin. Die Stadt ist durchmischt. Ich mag das sehr", betont Arna Aley.
Veranstaltungen
ARNA ALEY
LAUSCHANGRIFFE
mehrteilige Ausstellungsperformance
TEIL I: ODESSA LIEGT AM SCHWARZEN MEER
30. April – 7. Mai 2023
Vernissage
Sonntag 30. April
11 Uhr: Film - Dietmar Hösel
Donnerstag 4. Mai 19:00 Uhr: Hörspiel - Michael Rothmann
Finissage
Sonntag 7. Mai
11 Uhr: Lesung - Monika Oehmig
Ort: TANKSTELLE_Projektraum, Zwickauer Straße 214, 09116 Chemnitz
Interview mit Arna Aley
Zum Abschluss ihres halbjährigen Aufenthaltes in Chemnitz erzählt Arna Aley über ihre Begegnungen mit den Chemnitzer:innen.
mehrZur Person Arna Aley

Foto: Stadt Chemnitz, Pressestelle
Arna Aley ist die erste Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz. Sie wird bis März 2023 hier leben und arbeiten und sich mit ihren Beiträgen am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen.
Arna Aley, geboren in Panevėžys, Litauen, studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin und Violoncello an der Akademie für Musik und Theater in Vilnius/ Litauen. Sie arbeitete als Regieassistentin, Abendspielleitung und Bühnenmusikerin am Berliner Ensemble. 2009 wechselte sie zum Film und leitete unter anderem die Regieabteilung beim internationalen Multimediaprojekt »DAU« ( (Regie: Ilya Khrzhanovsky).
Arna Aleys Theaterstücke wurden mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet und u. a. auch am Berliner Ensemble uraufgeführt. Im Jahr 2019 war sie die Preisträgerin des Literaturstipendiums des Berliner Senats. Sie übersetzt Theaterstücke aus dem Litauischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Litauische, u. a. die Theaterstücke von Sibylle Berg.
Hintergrund: Literaturstipendium
Insgesamt hatten sich 41 Frauen und Männer aus Deutschland und Österreich um das Stipendium beworben.
Im Februar 2022 hatte der Kulturausschuss beschlossen, erstmals ein Literaturstipendium für die Stadt Chemnitz auszuschreiben. Entsprechend der Ziele der Kulturstrategie »Kultur Raum Geben« soll das Aufenthaltsstipendium Kreative, Künstlerinnen und Künstler mobil werden lassen. Dies schafft einen Austausch zwischen externen und vor Ort wirkenden Kreativen, aber auch mit der Stadtgesellschaft.
»Ich freue mich sehr auf die Zeit hier in Chemnitz. Ich schließe mich nicht ein und schreibe einen Roman. Ich möchte Zuhörerin sein und die Geschichten der Menschen erfahren« sagt Aley.
Die sechsköpfige Jury, die die Stipendiatin auswählte, setzte sich zusammen aus dem Schriftsteller Hans Brinkmann (Chemnitz); Prof. Ulrike Brummert, docteur d'Etat, Kulturwissenschaftlerin und Mitglied im Kulturbeirat Chemnitz; Dr. Lutz Graner, Literaturwissenschaftler an der Universität Bielefeld und Inhaber des Chemnitzer Eichenspinner Verlags; Marcus Heinke, Projektleiter Bereich Kultur im Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit Chemnitz; Kerstin Hensel, Autorin und Professorin für Deutsche Verssprache und Diktion an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch (Berlin), sowie der Poetry-Slammerin Stefanie Menschner (Chemnitz).